Museumskataloge

24 Sha­des of Bru­ta­lism Clau­dia Banz
Die Frage nach der angemessenen Präsentation von angewandter Kunst und Design trieb bereits die Protagonist*innen der Gründerzeit um. Vor allem die Weltausstellungen – Plattformen imperialer Machtdemonstration und globale Drehscheiben für Technik- und Kulturgüter – lieferten prototypische Modelle wie etwa den Periodroom. Dieses hybride, zwischen privater Einrichtungs- und öffentlicher Ausstellungskultur oszillierende Display dient(e) als eine Art Atmosphärengenerator der Schaffung einer fiktionalen Authentizität. Als Interieurs mit unterschiedlichsten Objektgruppen ausgestattet, spiegeln die Periodrooms Geschmack und Lifestyle einer Epoche oder Dekade. Nach dem Siegeszug des White Cubes gerieten sie eine Zeit lang ins Abseits. Aktuell erleben sie aufgrund ihres immersiven Potenzials einer Art Renaissance.
Auss­tel­lungs­ka­ta­log „At­mo­ism – Ge­stal­te­te At­mo­s­phären“ Staat­li­ches Mu­se­um Ber­lin


„Die­ser un­be­hag­li­che zeit­genös­si­sche Kör­per ist sich sei­ner In­ne­rei­en, sei­ner Sterb­lich­keit, sei­ner Ver­gäng­lich­keit, sei­ner Hin­fäl­lig­keit nur all­zu be­wusst. Es ist ein Kör­per, der von den post­mo­der­nen Pla­gen der Re­tro­vi­ren an­ge­grif­fen und von so­zio­po­li­ti­schen wie phy­si­schen Mißer­fol­gen und Zer­brech­lich­kei­ten bedrängt wird. Es ist ein Kör­per, der nicht län­ger nach ei­nem uni­ver­sel­len Zu­stand strebt, in dem er – wie die mo­der­ne Kunst - vor­gibt, un­be­que­me De­tails hin­sicht­lich sei­ner eth­ni­schen Zu­gehö­rig­keit und sei­nes Ge­schlechts zu igno­rie­ren. In der Kunst und im Le­ben ist der Kör­per zum kampf­be­rei­ten Sitz ge­schlecht­li­cher Un­ter­schei­dun­gen, ras­si­scher Aus­rich­tun­gen, psy­cho-so­zi­a­ler Ü­ber­le­gun­gen und eth­ni­scher Ma­rot­ten ge­wor­den.“
Aus ei­nem Auss­tel­lungs­ka­ta­log des Folk­wang­mu­se­ums in Es­sen


«In Ka­poors* Schaf­fen ist die Ma­te­rie von zen­tra­ler Be­deu­tung, al­ler­dings stets ver­bun­den mit ei­ner Idee von Prä­senz und Spi­ri­tu­a­lität, wel­che die ober­fläch­li­che ‹Tatsäch­lich­keit› des Ob­jekts ü­ber­steigt. In Ka­poors Wor­ten: ‹Ma­te­rie führ­te in ge­wis­ser Wei­se im­mer zu et­was Im­ma­te­ri­el­lem.› Er be­trach­tet dies als zwar fun­da­men­tal wi­der­sprüch­li­che, da­bei aber stets kom­ple­mentä­re Be­din­gung der ma­te­ri­el­len Welt. (…) Bei Ka­poors neu­en ki­ne­ti­schen Ob­jek­ten und Rau­mob­jek­ten in die­ser Auss­tel­lung schei­nen Be­grif­fe von Leich­tig­keit, Lang­sam­keit und Wachs­tum die In­spi­ra­ti­on und trei­ben­de Kraft. All die­sem ein­ge­wur­zelt ist Ka­poors Aus­druck ei­ner Art Bek­lem­mung, die er durch un­ver­hoh­le­ne Zei­chen und förm­li­che Be­zug­nah­me auf Se­xu­a­lität und Ge­walt zum Aus­druck bringt: Das Un­sag­ba­re wird aus­ge­spro­chen.»
Der of­fi­zi­el­le Begleit­text zur Auss­tel­lung von Anish Ka­poor. von Chris­ti­an De­mand zi­tiert
Münch­ner Haus der Kunst von 2007/08


Als Mi­se-en-aby­me pa­ra­do­xer und doch fun­da­men­ta­ler In­hal­te ist sei­ne Ar­beit in die kom­ple­xen kul­tu­rel­len, ö­ko­no­mi­schen, po­li­ti­schen, gen­der­spe­zi­fi­schen und re­li­giö­sen Dua­lis­men von Ost und West ein­ge­bet­tet. Sei­ne Fo­to­gra­fi­en, Fil­me, Skulp­tu­ren und In­stal­la­ti­o­nen le­ben von der Span­nung zwi­schen äußer­lich-sinn­li­chen Reiz und kon­tro­ver­sen In­hal­ten und be­die­nen sich ei­nes al­le­go­ri­schen Mi­ni­ma­lis­mus, um die pos­t­ide­a­lis­ti­sche Geis­tes­hal­tung der glo­ba­li­sier­ten Welt zu hin­ter­fra­gen. Auch wenn sie be­trächt­li­che Aus­maße an­neh­men kön­nen, ver­mit­teln sei­ne aus un­be­ar­bei­te­ten Ma­te­ri­ali­en oder ge­fun­de­nen Ge­gegstän­den her­ge­stell­ten In­stal­la­ti­o­nen oft ei­ne eph­eme­re und un­mo­nu­men­ta­le Er­fah­rung, in der die Lee­re ei­ne po­e­ti­sche wie auch po­li­ti­sche Re­fe­renz dar­stellt.

Begleitbuch dOCUMENTA 13
Aus­wahl von in­ter­es­san­ten Tex­te in an­de­ren Pub­li­ka­ti­o­nen. Hier sind ein paar le­sens­wer­te Ar­ti­kel. Falls Sie bei Ihrem Mu­se­ums­be­such auf ei­nen außer­ge­wöhn­li­chen Text stoßen, dann sen­den Sie uns die­sen zu. Es geht hier nicht um Inhalt, sondern nur um den Sprachgebrauch.